Angst ist nur ein Gefühl

Angst  ist nur ein Gefühl

Angst ist überall. Sie ist ein menschlicher Reflex, um uns vor Gefahren zu schützen. Sie veranlasst uns dazu, Dinge nicht zu tun, vor Menschen oder Situationen zu flüchten oder ihnen mit Vorsicht zu begegnen. Ängste haben die Menschen teilweise ganz natürlich, von Geburt an, oder aber künstlich erschaffen und geschürt durch Vorurteile, Propaganda oder Übertreibungen – kurz Panikmache.
Ich weiß ja nicht, wie’s euch geht, aber ich habe Angst. Ständig und überall, immer im Hintergrund. Teils ganz banal, teils hoch komplex, so dass man kaum noch zwischen Wirklichkeit und Fiktion unterscheiden kann.

 

Ich habe Angst vor allem…

 

Angst was falsch zu machen, die falschen Entscheidungen zu treffen. Angst, ein Jobangebot auszuschlagen, welches sich nie wieder ergibt und dafür auf immer und ewig einen bestimmten Lebensweg verbaut zu haben.

Angst davor einen Fehler im Alltag zu machen. Vorgänge, die man im Berufsalltag eigentlich wieder und wieder macht und damit routiniert abgearbeitet werden, könnten fehlerhaft sein. Vielleicht lade ich unbemerkt einen Virus ins System, vielleicht gehen dadurch sensible Daten verloren. Vielleicht verliert jemand wegen meines Fehlers den Job. Vielleicht verliere ich den Job. Oh Gott, dann könnte ich vielleicht so einen Fehler begehen, dass mich niemand mehr einstellt. Vielleicht landen wir dann in der Eingangszone des hiesigen Jobcenters.
Ich habe Angst davor, dass die ganzen Leute Recht hatten, als sie sagten, dass es völlig verrückt sei, die Bloggerei als „Job“ zu bezeichnen. Vielleicht funktioniert die YouTube-Sache eh bald nicht mehr, vielleicht werden wir gehackt, vielleicht findet Anna dann auch keinen „normalen“ Job mehr, weil sie ist ja nur staatlich anerkannte Kinderpflegerin. Vielleicht sind unsere Kinder dann gebrandmarkt als Hartz-IV-Kinder und vielleicht sind wir dann daran schuld, dass sie keinen Zugang zu unserem Bildungssystem haben, weil es einfach nicht durchlässig genug ist.

Ich habe Angst davor, dass der Strom ausfällt und nicht wieder kommt. Dass unsere Gesellschaft daraufhin das hässlichste Gesicht zeigt, was sie zu zeigen bereit ist. Dass Menschen, die mir lieb sind, sterben, weil sie deswegen grassierende Krankheiten kriegen. Dass ich nicht im Stande sein werde, meine Familie zu schützen und zu versorgen…
Aprospos Strom: Ich habe Angst davor, dass ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt, Millionen Menschen sterben und verseucht werden, dass wir alle machtlos vor den Folgen dieser Katastrophe stehen und nicht begreifen, was da passiert und was wir machen sollen.

Ich habe Angst davor, morgen gesagt zu kriegen, dass ich nicht mehr lange hab. Scheiße, ich habe Angst davor, dass Anna oder die Kinder morgen gesagt kriegen, dass sie nicht mehr lange haben.
Ich habe Angst davor, nicht das beste aus meinem Leben gemacht zu haben. Gleichzeitig habe ich Angst, jeden Tag zu leben, als wäre es mein letzter und dann im hohen Alter festzustellen, dass ich nicht genug vorgesorgt habe.

Ich habe Angst davor, eine Krankheit zu bekommen, die nur selten anerkannt und als solche akzeptiert wird, weil sie niemand versteht, der sie nicht hat.
Kurz gesagt: Ich habe Angst davor, Angst zu haben und Angst davor, wegen der Angst die Kontrolle zu verlieren.

Angst ist ein Konstrukt unserer Fantasie

 

Merkt ihr das?
Eine Angst geht über zur Nächsten. Der Kloß im Hals wird zum Geschwür in Magen, wenn ich mir ausdenke, was alles passieren könnte. Die Ängste sind oft ganz konkret und werden dann immer abstrakter. Hätte, wäre, könnte sind die Worte, die mein Denken dominieren. Dabei lähmt mich diese Angst so ungemein. Sie schränkt ein, hindert uns daran um die Ecke zu denken, Visionen zu entwickeln und ein Leitziel zu definieren. Und genau dann wird die abstrakte Angst zur konkreten Realität. Wenn wir immer passiv vorsichtig denken, überlegen, was wir jetzt wie am besten machen, um die Wahrscheinlichkeit von Fehlern zu minimieren geht’s nur langsam und eingeschränkt vorwärts.

 

„Angst marschiert
Bahnt sich ihren Weg
Eine Illusion verkleidet sich
Als Realität“

(Stephan Weidner)

Wenn wir immer nur kleine Schritte in einem ganz engen Rahmen, wo wirklich nichts passieren kann, machen, dann können wir gar nicht so sicher werden in unserem Handeln, dass wir die Wahrscheinlichkeit zu scheitern selbst minimieren. Und vor allem können wir gar nicht zu der Erkenntnis kommen, dass Scheitern wichtig ist. Dass wir das Scheitern, manchmal auch das Unglück, den Schmerz oder den Misserfolg  brauchen, um den Erfolg, die Gesundheit oder das Glück zu schätzen lernen. Und letztendlich auch, dass wir Scheitern für uns selbst erst einmal definieren. Vielleicht ist nämlich das Scheitern in dem einen Beruf nur der Wink einer übergeordneten Institution (Himmel oder so), die uns dezent darauf hinweisen möchte, dass wir in was anderem mindestens genau so gut sind.

Angst ist wichtig. Sie schützt uns. Aber sie darf uns nicht dominieren. Und das allerwichtigste ist, sich selbst zu fragen, welche Angst real in uns ist oder welche wir nur haben, weil uns Angst gemacht wird. Von Freunden, Familien, Kollegen, Zeitungen, Politikern oder Märchenerzählern. Wichtig ist auch, sich darüber bewusst zu werden, warum wir die Angst haben. Denn das hilft, sie zu bekämpfen und vielleicht sogar zu überwinden.

„Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“ (Dietrich Bonhoeffer)


14 Gedanken zu “Angst ist nur ein Gefühls”

  • 1
    Lina am 7. April 2017 Antworten

    Oh wow! Danke für diese ehrlichen Worte Franz. Du sprichst mir aus der Seele!
    Ich bin auch ein angstbesetzter Mensch….leider. Dein Text hilft Relationen reinzubringen.
    Im übrigen lieeeeebe ich Stephan Weidner. Zumindest das „schneller, höher, weidner“ Album. Das Zitat sorgt für Gänsehaut.

  • 2
    Romina am 7. April 2017 Antworten

    Hallo:) Ich glaube, ich habe noch nie irgendwo kommentiert. Ich bin mehr die Fraktion „Stiller Mitleser“. Aber bei deinem Text, Franz, da möchte ich jetzt was dazu sagen, weil ich ihn so toll finde und mich auch gerade mit dieser Thematik beschäftige und vieles nachvollziehen kann. Vielleicht liegt es an unserem Alter, dass da diese Angst ist? Keine Ahnung, aber ich habe für mich eine Antwort gefunden. Eigentlich nur ein Wort. >maktubit is written<, alles ist schon geschrieben, wir haben vieles nicht in der Hand und wenn etwas passiert, dann soll es so sein. Dein Schicksal ist schon geschrieben, egal welche Entscheidung du triffst. Ich weiß nicht wie es dir/euch geht, aber ich finde diesen Gedanken ungemein beruhigend und in einer Weise befreiend, denn in diesem Konstrukt gibt es keine falschen Entscheidungen. Egal welchen Weg du gehst und egal vor welchen Hürden du stehst, es wird alles gut.
    Jetzt aber genug. Das nächste Mal gibt's hoffentlich wieder was fröhlicheres 😉 Liebe Grüße an euch 4

    • 3
      Franz am 7. April 2017 Antworten

      Diesen Abschnitt nach >maktubit is written< könnte ich so wie er ist mit in den Artikel übernehmen. Die perfekte Ergänzung und ich stimme dir absolut zu. Vielen Dank für deinen Kommentar 🙂

    • 4
      Steffi am 7. April 2017 Antworten

      Für mich stimmt das teils teils. Schicksal ist, ob du gewisse Krankheiten bekommst, schon mit 30 graue Haare und Falten hast, also alles Körperliche, was in den Genen festgelegt ist. Alles andere gründet sich auf Entscheidungen, bewusst oder unbewusst, zum Teil von einem selbst oder anderen getroffen. Wenn die Eltern einen in einen anderen Kindergarten/Schule geschickt hätten, hätte man nicht seinen besten Freund kennengelernt, wenn man sich für eine andere Uni entschieden hätte, hätte man nicht seinen Partner kennengelernt oder drastischer, hätte man sich eingecremt, hätte man jetzt nicht den schlimmsten Sonnenbrand aller Zeiten, hätte man sich an die andere Kasse gestellt, säße man jetzt schon im Auto. Das sind alles Entscheidungen, die man selbst trifft. Manchmal sind sie falsch, manchmal richtig. Man weiß es vorher nicht und vielleicht wäre diese Entscheidung in einem anderen Moment sogar die richtige gewesen. Wie man so schön sagt: Irren ist menschlich. Und nur durch Erfahrungen, also Entscheidungen für oder gegen etwas, können wir lernen. Das fängt im Babyalter an. Unsere Entscheidungen machen uns zu dem, der wir sind.
      Hätten wir anders entschieden, wäre es ein anderes Leben, aber wer weiß, ob es besser oder schlechter oder vielleicht genauso schön wäre, wie es eben ist. Es wäre nur anders. Ich denke, die größte Kunst im Leben besteht darin, nicht im Konjunktiv zu leben, sondern es so zu nehmen, wie es ist.
      P.S. Wieder mal ein wundervoller Artikel von dir, Franz. Ihr könnt beide so toll schreiben und habt eine wundervoll reflektierte Einstellung zum Leben. Bewahrt euch das!

  • 5
    Romina am 7. April 2017 Antworten

    Das ist aus „der Alchimist“ von Paolo coelho 😉 vielleicht kennst du es ja schon.

    • 6
      Franz am 7. April 2017 Antworten

      Was genau ist aus dem „Alchimist“? Ich kenne das Werk leider nicht.

  • 7
    KathaB. am 7. April 2017 Antworten

    Boaahh, weiß grad gar nicht was ich schreiben soll! Trotzdem hab ich irgendwie das Gefühl, dass ich das kommentieren muss. Ich hab selten so einen tollen Text gelesen. Der hat mich grad richtig gepackt. Vielleicht auch, weil ich gerade selber in einer Phase bin in der ich aufpassen muss, dass die Angst nicht Überhand nimmt. Ja, die Angst ist auf dem Vormarsch, und ich habe das Gefühl es wird mit jedem Jahr das ich älter werde mehr. Und ich kann nichts dagegen tun.
    Ich finde über Ängste wird viel zu wenig gesprochen. Wir sollten mehr darüber reden, als unsere Ängste ständig versuchen zu verdrängen.
    Danke für den wundervollen Text. Du kannst sooo prima schreiben! Gruß an Anna und die Kinder.

  • 8
    Romina am 7. April 2017 Antworten

    Ah sorry:) ich meinte damit das Wort maktub und die Bedeutung dahinter stammt aus dem Buch 😉

  • 9
    Gabi am 7. April 2017 Antworten

    Toller Text Franz, und (leider) trifft es auch sehr auf mich zu, ich kann mich auch in solchen Angstgedanken verlieren. Zum Glück bin ich auch gut im Verdrängen und dann gehts wieder eine Zeit lang. Der Gedanke, dass einem der Lebensweg bestimmt ist, ob man jetzt an Gott oder Schicksal glaubt, beruhigt mich und macht mich freier.
    Ihr seid ein tolles Paar und beide so kreativ und begabt im Umgang mit Worten. Deshalb lese und schaue ich Euch so gern. Mit mehr Menschen wie Euch wär das Leben oft leichter und lustiger. Schönes Wochenende.

  • 10
    Romina am 7. April 2017 Antworten

    Genau @Steffi, man sollte nicht im Konjunktiv leben 🙂 da hast du sowas von Recht. Dass das gelingt, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, und es ist völlig egal ob man es Schicksal, Gott, Universum oder sonst wie betitelt. Im Kindesalter bekommen wir bestenfalls von unseren Eltern ein Gefühl von Urvertrauen vermittelt, das „es wird alles gut“-Gefühl. Vielleicht sollten wir auch mal über unseren Tellerrand schauen und uns ab und an bewusst machen, wie klein, nichtig und unbegründet manche unserer Ängste und Sorgen sind.

    • 11
      Steffi am 7. April 2017 Antworten

      Das sehe ich genauso. Über den Tellerrand schauen hilft ungemein und rückt das eigene Leben ins richtige Licht. Es gibt so viele Möglichkeiten, die uns dabei helfen, das Leben zu leben, vor allem aber der Glaube an Gott, das Universum, Schicksal, sich selbst oder was auch immer. Jeder darf sich seinen Weg aussuchen, denn es ist der eigene. Das Bewusstsein darüber und der Respekt vor all diesen Wegen ist, denke ich, die Lösung vieler Probleme und der Schlüssel zum Glück.

  • 12
    Katharinamedea am 7. April 2017 Antworten

    Sehr ehrlich und toll geschrieben! Wow…

  • 13
    Lissy am 19. Juni 2017 Antworten

    Hallo Franz,

    ich schreibe dir hier zum ersten Mal, bin sonst eher ein stiller Zuschauer. Doch dieses Thema betrifft mich auch in besonderem Maße. Ich bin gerade fertig mit meinem Studium, suche Arbeit, weiß aber nicht was und wo. Das macht mir Angst. Ich weiß nicht wie es weitergeht. Werde ich Arbeit finden? Was wenn nicht? Muss ich dann umziehen? Meine Familie und Freunde verlassen und irgendwo neu anfangen?
    Ich habe generell vor sehr vielen Dingen Angst. Neuen Umgebungen, neuen Situationen, neuen Leuten, einfach das Unbekannte und Ungewisse. Manchmal lähmt mich diese Angst regelrecht sodass sie mich in meinem Handeln einschränkt. Dabei ist mir noch nicht wirklich bisher irgendwann mal was blödes oder schreckliches passiert, was diese Angst begründen würde. Sie ist einfach da.
    Das Thema mit dem Schicksal finde ich beruhigend, jedoch glaube ich nicht wirklich daran. Ich denke eben die schlichte Vielfalt an Möglichkeiten und Entscheidungen ist es, was uns solche Angst macht, eben eine falsche zu treffen. Man würde ja sofort von anderen gesagt bekommen, dass das eine blöde Entscheidung war oder man hat Angst aus der Nummer nicht mehr rauszukommen.
    Das schlimme ist einfach nur, wenn andere Leute die Ängste herunterspielen und nicht ernst nehmen. Dann fühlt man sich einfach nur unverstanden zweifelt an sich selbst.
    Ich danke dir für deine ehrlichen Worte. Ich bewundere dich und Anna, wie ihr euer Leben meistert und schaue eure Videos sehr gerne. Ich weiß, dass euer Leben auch nicht immer einfach ist, aber ihr zaubert so vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Ich wünsche euch alles erdenklich Gute.

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