Alles fit in Papas Kopf?
Was geht in Papas Kopf vor, wenn sein Baby schreit? Was passiert mit ihm, wenn er Nächte lang nicht richtig schlafen kann? Und was denkt er sich, wenn er gefragt wird, ob er bereit dazu ist, Vater zu werden? Das weiß ich doch nicht, was er denkt. Aber ich kann euch erzählen, was in mir so vorgeht, seit wir Eltern sind. Lest einfach weiter.
„Ist doch eigentlich Frauensache…“
Die ersten drei Tage und Nächte mit den Minis sind oft noch echt ruhig und entspannt. Die Kleinen muckern ein bisschen, wenn sie Hunger haben oder krepeln sich ein wenig, wenn sie mal pupsen müssen. Aber im Großen und Ganzen hat Mama Natur das so eingerichtet, dass Minimi das alles selbst regelt – wohl um der Mutter die Erholung von der anstrengenden Geburt zu ermöglichen. Super Sache sowas.
Dann, spätestens ab der 6.-7. Nacht wird es ungemütlich. Baby wacht auf, brüllt wie am Spieß, mag weder Brust bzw. Flasche noch eine neue Windel und – um Gottes Willen – bloß kein blöder Baby-Einschlaf-Sing-Sang. Achtung Totsünde!
Ich persönlich bin jemand, der nachts sehr einfach und tief schläft. Ich überhöre gern alles um mich herum und darum war es für mich immer umso schrecklicher, wenn ich nun regelmäßig geweckt wurde, denn DAS konnte man nun wirklich nicht mehr überhören.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich es einige Male zu ignorieren versucht habe. Mit der für mich im schlaftrunkenen Zustand absolut plausiblen Begründung, dass für sowas doch schließlich die Mutter zuständig sei. Die Mutter, die sich schon die letzten 7 Male in dieser Nacht um das Baby gekümmert hat. Die, die auch den ganzen Tag das Baby bei sich hat.
Genderkram
Normalerweise bin ich wirklich weit davon entfernt so eine Genderscheiße zu befördern und die festgefahrenen Rollenbilder noch zu verschärfen, aber teilweise ist es so stark im Bewusstsein verankert, dass es schwer ist, sowas komplett abzulegen. Wenn man auf der richtigen Seite steht und sich selbst Vorteile davon erhoffen kann, jemandem so bestimmte Rollen einfach zuzuschreiben, ist man ja auch eher geneigt, sowas zu nutzen. Denn mein Vorteil beruht ja auf dem Nachteil meiner Freundin, denn die ist ja nun mal zuständig oder?
Nein! Ist sie nicht. Ich war ein dreiviertel Jahr lang mit Emil in Elternzeit. Allein mit ihm. Habe vom Füttern mit Muttermilch über das Wickeln, Kochen, Putzen, Spazieren gehen, spielen, Pflegen usw. alles mit ihm gemacht. Und warum auch nicht? Was macht es für einen Unterschied, ob Mama oder Papa da ist? Das wichtigste ist doch, dass eine wichtige Bezugsperson da ist. Und wenn sowas kommt wie „Das ist ein Mamakind“ oder „Ja, Mama ist eben doch die beste“, denke ich schon manchmal, dass es eine Ausrede ist. Und je nachdem, was ich dem Kind vorlebe, entwickelt es sich schon manchmal in eben diese Richtung.
Konkret als Beispiel: Wenn die Mama eben immer das Kind tröstet, dann mag das Kind eben auch nicht vom Papa getröstet werden, weil der das eben nie macht und der das – in der Vorstellung des Kindes – vielleicht auch einfach nicht kann. Und schon verlangt das schreiende Kind nach der Mama und nicht dem Papa. Ein Mamakind.
„ICH muss morgen früh arbeiten…“
Selbe Situation: Baby schreit. Mama war schon 3-mal draußen. Hat gewickelt, gesungen, getanzt, gestillt, gefüttert und nichts hat geholfen. Sie sagt: „Kannst du mal bitte versuchen? Ich kann nicht mehr.“ Er sagt: „Ok.“, steht auf, gibt sein bestes und kommt nach 5 Minuten wieder. „Du, ich hab alles probiert, aber ich glaub du kannst das besser.“
„Magst du sie vielleicht mal ein bisschen ins Tuch einbinden? Da schläft sie doch immer so schön ein, ich bräuchte echt mal ein bisschen Schlaf.“
Er: „Aber Ich muss morgen arbeiten. Du kannst doch morgen schlafen.“
Ein Klassiker. Die Annahme, dass eine Mutter in Elternzeit den ganzen Tag bequem im Schaukelstuhl sitzt, in Eltern-Zeitschriften blättert und dem lieben kleinen beim Steckspiel-Spielen zuschaut, während sie selig lächelnd einen warmen Caramel-Cappuccino mit Soja-Milch und Haselnuss-Topping trinkt, ist in etwa so weit von der Wahrheit weg, wie die Erde von der Sonne.
Wir, die hart arbeitenden Elternteile gehen jeden Morgen raus aus dem Haus. Wir treffen andere erwachsene Menschen, haben abwechslungsreiche Tage, spannende Herausforderungen, lustige Mittagspausen, langweilige Rechercheaufgaben. Manche von uns sitzen mit Kaffee vorm PC, andere stehen auf einem Dach und schuften sich die Finger wund. Und trotzdem: Die, die zu Hause bei den Kindern bleiben sind teilweise sozial isoliert, richten ihren kompletten Tagesablauf auf die kleinen Wesen aus und verzichten dabei auf weite Teile ihrer persönlichen Vorlieben, Hobbies, Gewohnheiten usw. Das habe ich in der Elternzeit gelernt und daran versuche ich mich immer wieder zu erinnern.
War es ein Fehler sich für die Kinder zu entscheiden?
Meine Kollegen sind jung und kinderlos. Wenn es gen Feierabend geht, frag ich mich manchmal, was ich an deren Stelle machen würde. Was ich mit der vielen Zeit anstellen könnte. Wenn ich Feierabend hab, fängt manchmal die Arbeit erst so richtig an. Die Kinder holen, ab auf den Spielplatz oder zu Freunden, einkaufen oder nur noch schnell neue Turnschuhe besorgen, weil die Erzieherin beim Abholen mitgeteilt hat, dass die Turnschuhe im Kindergarten schon wieder verwachsen sind. Dann die Kinder wieder vom Fernsehen im Schuhgeschäft loseisen, an dem Münz-Helikopter und dem Eisstand vorbei ins Parkhaus und dann nach Hause.
Zu Hause muss dann die Bettwäsche aus dem Kindergarten gewaschen werden, weil ein Kind beim Mittagsschlaf eingenässt hat. Mist, die Waschmaschine ist noch voll, aber müffelt schon leicht. Aber die Pullerbettwäsche stinkt noch viel mehr. Dann kommt ein Kind rein und weint, weil das andere Kind ihm sein Spielzeug weggenommen hat. Ruckzuck ist es um sieben und es gab immer noch kein Abendbrot, weswegen die Kinder nun beide schon schlechte Laune haben. Genau DAS sind die Momente, in denen ich mich auch immer wieder frage: War es ein Fehler sich für die Kinder zu entscheiden?
Und dann kommt eins der Kinder um den Tisch gelaufen, will auf meinen Schoß, lehnt sich an und füttert mich mit dem Essen, welches noch auf meinem Teller liegt. Und ich weiß: Nein! Es war kein Fehler.
Seitdem wir Eltern sind haben wir kaum noch Sex. Daran muss das Kind schuld sein!
Frische Bettwäsche, Duftkerzen, leise Musik. Wir sind frisch geduscht, haben schöne Wäsche an und freuen uns, endlich mal wieder etwas Zweisamkeit miteinander verbringen zu können. Man kommt sich näher, schaut sich tief in die Augen. Hände berühren sich, Lippen küssen einander. Plötzlich geht alles ganz schnell. Seit so langer Zeit wächst das Verlangen aufeinander nun schon und endlich bricht sich die Lust Bahn und man fällt übereinander her.
„MAMAAAAAAAAAAAAAAAAAA“
Zack. Vorbei. Kind kann nicht schlafen und möchte mit zu uns ins Bett.
Die Lust ist weg, das Verlangen nicht. Dafür die Frustration. Und diese Frustration muss raus, die muss abgewälzt werden und zwar auf denjenigen, der für den vorzeitigen Frustrationserguss verantwortlich ist.
In den darauffolgenden Tagen passiert es immer wieder, dass Kind 1 nicht alleine einschlafen kann und Kind 2 teilweise von dem daraus resultierenden Gemecker wach wird. Wir kommen also gar nicht mehr auf die Idee, an Sex zu denken.
Und wie schön ist es, wenn man einen findet, der Schuld daran ist. Dann hat man jemanden, auf den man seine Frustration projizieren kann. Ich glaube, dass die Ursache nicht immer automatisch die Elternschaft ist. Es ist vielmehr die Vielzahl an Dingen, die den Alltag bestimmen. Das kann genauso bei Tierhaltern oder workoholicmäßigen Unternehmern oder der Krankenschwester, die im Schichtdienst arbeitet und nebenbei die an Demenz erkrankte Schiwegermutter pflegt vorkommen.
Also klar: In diesem Fall war das Kind der Auslöser, aber die Ursache ist oft wesentlich komplexer. Und das versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn ich schlechte Laune kriege. Denn viel zu oft passiert es mir, dass ich meine schlechte Laune an Schwächeren – nämlich meinen Kindern – auslasse, statt an den eigentlichen Verursachern (Chef, Behörden, Kollegen, innerer Schweinehund).
Was ich sagen will: Nicht das Kind ist unmittelbar schuldig, sondern der Druck, den wir uns (als Eltern oder auch persönlich) selbst oft machen. Das sollten wir nie vergessen.
Was habt ihr manchmal so für Gedanken, die ihr später vielleicht bereut gedacht zu haben?
Haut’s in die Kommentare und lasst mal was lesen 😉
Hier war es die ersten Nächte nicht so ruhig wie du beschrieben hast – nach 36 Stunden Geburt hätte ich wirklich die Ruhe damals gebrauchen können… Aber nun zur eigentlichen Frage.
Ja, ich bereue sehr oft was ich denke. Vor allem wenn ich langsam wütend wegen dem Geld Geplärre werde und innerlich fluche. Dann denke ich, was dieses Kind mir antut. Aber das realisiere ich auch schnell und denke im nächsten Moment „Quatsch. Der Kleinen geht es halt in diesem Moment nicht gut. Du weißt, sie will dich nicht ärgern.“ Trotzdem fluche ich dann innerlich weiter. Aber ich versuche dann schon mehr, mich ihr zuzuwenden.
Mein Mann ist da auch viel ruhiger. Und was ich an ihm schätze: Er würde nie denken, dass ich das alles alleine tragen muss. Er wiegt nachts die Kleine, auch wenn er früh zur Arbeit muss. Lieber macht er das, als das ich es schwindelig mit einem müden Kreislauf machen muss. Er denkt da genau wie du: Zuhause ist das Leben der Mutter nicht entspannter. Er kommt früher Heim, wenn ich ihm schreibe, dass es hier nur Gezicke gibt. Vorausgesetzt er kann auch früher Schluss machen. Ich habe wirklich einen Schatz für mich und unsere Tochter gefunden!
Hallo Franz,
sehr sehr genial, dass du einen Einblick in deine Gedankenwelt gewährst, dabei offen und ehrlich bist, und mir als frische Mama den ein oder anderen Denkanstoß gegeben hast. Ich bin auch der Ansicht, dass die Elternzeit einem erst bewusst macht, was Elternschaft tatsächlich bedeutet. Der Verzicht auf die eigenen Hobbies und Interessen, kein „einfach-mal-faul-sein-und-nichts-tun“ – Gott, wie ich es vermisse. Mein Freund hat bei unserem Kind keine Elternzeit genommen und bisher eher die Ansicht vertreten, dass Elternzeit eher Mamazeit ist (obwohl er grundsätzlich keine typische Rollenverteilung anstrebt). Ich denke, dein Blog-Eintrag könnte ihm da evtl. die Augen öffnen. Danke.
M.