Die Sehnsucht nach dem Einfachen

04. Februar 2018 Allgemein 6
Die Sehnsucht nach dem Einfachen

Blogger stellen euch oft den heißesten Scheiß vor. Dinge, die die Welt nicht braucht, die die Dinge aber durchaus vereinfachen oder optimieren können. Aber ist eben diese Optimierung das wonach wir wirklich streben (sollten)?

Das Effizienzdenken, welches wir bereits mit der Muttermilch aufgesogen haben, ist nämlich ganz oft der Grund für die Situationen, die uns wiederum glauben lassen, dass wir unser Leben immer weiter optimieren müssen um irgendwie klar zu kommen.

Wir automatisieren viel in unserem Leben. Geschirr spülen. Kaffee aufbrühen. Schritte zählen.

Wir wollen unser Leben optimieren. Schnell Schule fertig machen. Schnell studieren. Viel Arbeiten. Viel Reisen. Möglichst wenig Spielraum für Zufälle lassen. Ein Prozess beenden, um den nächsten direkt beginnen zu können.
Und bedingt durch Funk, dann Fernsehen und nun auch Social Media können wir alle alles sehen und auch danach streben.

Das führt dazu, dass die Ansprüche immer höher werden, dass die Geschwindigkeit mit der wir durch das Leben jagen immer schneller ansteigt und dass sich irgendwann nur noch alles surrend um uns rum dreht. So schnell, dass wir gar nicht mehr erkennen, was hinter dieser künstlichen, surrenden Welt liegt. In der Stille.

Round and round it goes – but where it stops nobody knows…

Mit persönlich fällt zum beispiel immer wieder auf, wie ich schon in meinem tiefsten Inneren  nach Effizienz strebe. Ich mach nicht die Wäsche und höre abends in Ruhe mein Hörbuch. Ich mach die Wäsche und höre nebenbei Hörbuch – mit einem Ohr. Mit dem anderen Ohr höre ich einem meiner Kinder zu. Ich wasche nicht nur ab, sondern ich schau nebenbei einen Film. Damit ich ja auch mehr als eine Sache gleichzeitig schaffe. Damit auch ja  alle Kapazitäten, alle Konzentrationsspielräume ausgenutzt sind. Das Ganze entwickelt bei mir dann auch so eine gewisse Eigendynamik, in der dieses Streben nach Effizienz immer intensiver wird. Ich fordere das beispielsweise auch von anderen ein – ganz unterbewusst. Es regt mich oft auf, nichts zu tun. Innerlich drehe ich dann auf, werde wütend auf alle anderen.

Und dann, wenn man mal tatsächlich dazu gezwungen ist, inne zu halten, dann ist das richtig komisch. Man kommt sich so schlecht vor, so nutzlos. Man könnte doch jetzt was sinnvolles machen. Man sollte doch jetzt was Sinnvolles machen, oder etwa nicht?
Ich orientiere mich innerlich schon so krass an meinem Metabild, dass ich denke, dass jemand von mir denken könnte, ich wäre faul , nutzlos oder so. Deswegen will ich immer etwas tun oder zumindest den Eindruck erwecken, dass ich etwas tun würde. Krank oder?!

Dabei ist dieses Innehalten, Durchatmen, sacken lassen so krass wichtig. Wir sollten so viel öfter einfach mal nichts machen. Einfach mal über Gott und die Welt nachdenken. Reflektieren. Versuchen, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Wie gut das tut, merke ich immer wieder in Zwangspausen. Also beispielsweise, wenn das Internet für zwei Wochen ausfällt. Dann bist du dazu gezwungen Free-TV zu gucken und schaltest ganz schnell ab, weil nur Grütze kommt oder gefühlt nur Werbung.

 

Und dann?! Dann macht man es einfach.

 

 

Ein Buch statt Fernsehen. Ein stürmischer Tag im Freien statt eines Wellness-Wochenendes. Oder ein Spaziergang im Dunkeln statt eines Films. Sport im Freien statt komischer Bio-Öko-Energy-Trunk und Fitnessstudio mit nervigen Menschen, schlechter Musik und stickiger Luft für mehr 30 Euro pro Monat.

Ich habe so Lust auf einfache Sachen. Einfache Dinge erden so wunderbar. Die holen dich runter und beruhigen.

 

 

Mittlerweile habe ich das für mich relativ klar erkannt. Und ich nehme mir fest vor, immer ein kleines bisschen mehr der Einfachheit den Vortritt zu lassen. Kaffee koche ich mit einem Handaufsatz, einer Filtertüte und einem Wasserkocher. Obst und Gemüse schneide ich immer mit dem Messer statt mit der Küchenmaschine oder dem Nicer-Dicer.

Es ist alles da

Wir arbeiten, um Geld zu verdienen, damit wir uns Dinge leisten können, die wir eigentlich nicht brauchen, mit denen wir aber Menschen beeindrucken können, die wir nicht kennen oder nicht leiden können.

Ich habe gestern ein Gespräch zwischen einem Eisdielenbetreiber und einer seiner Bekannten mitbekommen. Die erzählte freudestrahlend, dass sie nun nicht mehr am Wochenende arbeiten muss und der Sonntag damit Familientag sei. Darauf der Unternehmer sinngemäß: Klingt super. Aber wenn wir alle Sonntag Familientag machen, was machen wir dann? Was unternehmen wir dann? Kein Bad, kein Spielehaus, keine Eisdiele, kein Restaurant…
Mein erster Impuls war, ihm still zuzustimmen. Mittlerweile denke ich: „Wieso eigentlich nicht?“. Immer öfter fällt mir auf, dass die schönsten und glücklichsten Momente die sind, die wir ohne künstliche Hilfsmittel erleben.

 

 

Nämlich mit den Kindern im Wald, mit einem Buch auf einem Sessel, mit der Familie beim Picknick, mit der Frau im Bett 😉
Das ist in den allermeisten Fällen schöner und erkenntnisreicher als die Stunde am Smartphone, im Spielehaus oder im Kino. Und ganz nebenbei meist auch nachhaltiger, ressourcenschonender und umweltfreundlicher.

 

 

Manchmal vergesse ich das. Und manchmal denke ich dran und weiß darum – kann aber nicht, weil ich noch in der anderen, in der vermeintlich effizienteren Welt festhänge und mich nicht traue konsequent auszusteigen oder schlicht und ergreifend zu faul bin.

Dann hab ich Sehnsucht nach dem Einfachen.


6 Gedanken zu “Die Sehnsucht nach dem Einfachens”

  • 1
    Daniela am 4. Februar 2018 Antworten

    Wahnsinns Beitrag. Dieser regt zum denken an. Franz magst du nicht ein Buch schreiben? Ich würde es sofort kaufen und natürlich auch lesen. Deine Gedanken sind richtig inspirierend und lassen einen über sich, das Umfeld, das Leben und einfach alles nachdenken.
    Gruß Daniela

  • 2
    Melanie am 4. Februar 2018 Antworten

    Lieber Franz,
    Es ist ehrlich toll, wie du Sachen und Gefühle auf den Punkt bringst! Innerlich sind wir doch heutzutage alle etwas hin und her gerissen, oder gar zerrissen. Einige merken es, andere hingegen verdrängen dieses Gefühl (besser). Ich habe mir schon oft gewünscht kein Smartphone zu besitzen, den letzten Schritt aber nie gewagt. Man könnte ja etwas verpassen. So ein Schwachsinn eigentlich, denn die freie Zeit, die man nicht mit Social Media verbringt, kann man abderes tolles erleben. Und zwar aktiv! Ach, vielleicht bin ich ja doch irgendwann mal konsequent und mutig genug, auch den Schritt zu gehen.
    Lg

  • 3
    Sofia Friederichs am 6. Februar 2018 Antworten

    Hallo Franz,

    du hast wohl Recht mit dem was du schreibst. Durch die Medien wird uns unglaublich viel gezeigt. Gesagt, dass wir ohne das XY-Zeug nicht gut leben können. Wir lassen uns blenden. Aber warum?

    Nichts tun ist nicht gleich nichts tun!
    Wir leben in einer Welt die immer schneller wird, zumindestend hab ich das Gefühl! Wenn man sich aber einfach mal besinnt, auf das was man hat, merkt man das wir mit mitte 20 doch schon so einiges erreicht haben. Warum nicht mal das genießen & schätzen was man hat. Einfach mal das Tempo rausnehmen – durchatmen!

    Und was die Anderen von mit denken..es ist mir egal geworden. Die Menschen die sich nur durch Insta, neues Auto, bestes Handy,etc.. profitieren können, die haben sich selbst noch nicht gefunden. Sie suchen noch!

    Meine Tochter (14Monate) erdet mich jeden Tag. Steine, Blätter, Staub, Haare.. es ist alles so unglaublich aufregend. Ich genieße es momentan einfach, die Welt nochmal durch Kinderaugen zusehen! Mein größtes Glück – ich bin angekommen!

    Ich kann meine Gedanken grad nicht sotieren weil mir zuviel zu dem Thema einfällt aber ich hoffe, du verstehst was ich meine. 🙂

    – Ich habe nicht alles was ich mir wünsche aber ich liebe alles was ich habe und bin Dankbar für diesen Reichtum –

    In diesem Sinne – alles Liebe an euch!🤗

  • 4
    Lea am 7. Februar 2018 Antworten

    So toll geschrieben 😍 Du sprichst mir aus der Seele und man spürt, dass es von Herzen kommt!!!

  • 5
    Claudia am 11. Februar 2018 Antworten

    Lieber Franz, wow, vielen Dank für deinen Beitrag! Genauso geht es mir auch ständig. Als Mama einer neunjährigen und sechsjährigen Tochter erwische ich mich, dass ich meinen Kindern auch fast täglich beibringe etwas schneller und effizienter zu tun. Doch ist mir das bewusst und ich sage Ihnen, das es Momente im Leben gibt wo man schnell und effektiv handeln sollte, damit man wieder mehr Freizeit hat. Doch Franz du hast recht, als Erwachsener hat man diese Gabe wieder verloren und die Freizeit kann auch in Stress ausarten, weil man zu viel Einblick in die vermeintlich perfekten Leben der anderen hat, bei denen man mithalten möchte. Manchmal sehne ich mich nach dem einfachen Leben, den ruhigeren und gemütlichen Leben von denen meiner Großeltern und Eltern erzählen. Zu DDR-Zeiten waren fast alle gleich, man hatte nicht so viele Möglichkeiten wie heute. Ich denke das hat die Menschen ruhiger gemacht. Man konnte Leben ohne schneller und besser zu sein zu wollen als alle anderen. Natürlich bin ich dankbar für all diese Möglichkeiten, doch sind es die vielen Möglichkeiten die einen machmal ebend auch stressen. Doch ich denke mit dem Bewusstsein das es so ist, können wir gut dagegen arbeiten und uns immer wieder Momente im Leben schaffen die schön einfach sind!!! Und dann sehe ich meine Tochter, die lieber im Garten spielt als im Indoor Spielplatz, die lieber meine unperfekten selbstgebackenen Kuchen isst, als die modernen Motivtorten, die ihren Geburtstag lieber zu Hause feiert als zum Bogenschiessen und zu McDonald zu fahren. Lieber Franz vielen Dank für deine Worte, in diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes einfaches Wochenende! Liebe Grüsse aus dem Harz, Claudia

  • 6
    Familie mit vier Kindern und sieben Sternenkindern am 11. Februar 2018 Antworten

    Ja genau ! Ganz genau so! Uns fehlen nicht viele Dinge, sondern das Bewusstsein und die Dankbarkeit dafür , dass wir alles haben , was wir brauchen und und uns nur Zeit schenken müssen, Zeit zum glücklich sein .Uns ist irgendwann klar geworden , dass unsere Wochenenden zwar ereignisreich und spannend sind und wir so viele Freunde haben, dass ein Jahr nicht reicht jedes we mit anderen zu verbringen .jetzt sind die wochenenden so weit es geht , nur für uns als Familie und oft mal zum „nichts „tun reserviert . Unsere Freundschaften haben sich dadurch mehr als halbiert , Einsam fühlen wir uns aber nicht sondern frei . Danke dass du es aufgeschrieben hast !

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